Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Stuart Pigott:
„So wird‘s ein Kultwein“
Es wird oft von „Kultweinen“ gesprochen, aber was verbirgt sich dahinter? Das vermutlich offensichtlichste Merkmal besteht darin, dass ein Kultwein keinesfalls zugleich billig und einfach erhältlich sei, also nicht für 4,99 Euro im Supermarktregal steht. Sollte man einen Kultwein überhaupt jemals in so einem Regal finden, dann liegt er preislich mehrere Stufen höher und distanziert sich von seinen nicht-kultigen Kollegen. Falls er aber tatsächlich nicht teuer ist, dann ist die Nachfrage um Längen größer als die Produktionsmenge, und er ist aus diesem Grund rar.
Ein Wein, der gerade in die Kult-Kategorie vorgestoßen ist, der „REIMITZ“ aus der Toskana, zeigt, wie das funktioniert. Klaus Reimitz war über zwanzig Jahre lang als Önologe auf dem Gut Montevertine bei Radda im Chianti-Gebiet tätig. Während dieser Zeit entwickelte sich der Spitzenrotwein des Gutes „Le Pergole Torte“ zu einem waschechten Kultwein. So manche Kritiker verleitete er zu Begeisterungsstürmen. Doch nach den ersten bejubelten Jahrgängen hatte er sich vom Kritikerlob so gut wie emanzipiert und wurde stattdessen von einer tiefsitzenden Begeisterung der Konsumenten weitergetragen - ein Merkmal, das unentbehrlich ist für Kultwein-Kandidaten.
Im weiteren Verlauf kam es zu Unstimmigkeiten mit den Besitzern von Montevertine, und Reimitz verließ den Betrieb. Mit Hilfe von ein paar alten Freunden packte er ein neues Projekt an. Er entdeckte einen erstklassigen Weinberg, der ausschließlich mit Sangiovese bepflanzt war, der Leitrebsorte der Toskana, und erzeugte 2011 seinen ersten eigenen Wein. Natürlich hilft ihm der Ruf des „Le Pergole Torte“, und es gibt viel Interesse an seinem neuen Wein. Doch ein neuer Wein mit einem selbstbewußten Preis ist noch lange kein Kultwein. Nein, ein solcher muß auch einen besonderen Geschmack haben - was beim 2011er „REIMITZ“ der Fall ist. Sangiovese-Rotweine können recht säurebetont wirken und von herben Gerbstoffen geprägt sein; vertuscht wird das oft durch den Verschnitt mit geschmeidigeren Weinen aus anderen Traubensorten und einem Vanilleton.
Von derartigem kann beim 2011er „REIMITZ“ keine Rede sein. Er überzeugt stattdessen mit einer strahlenden Sauerkirschnote und einem Hauch von Granatapfel, wirkt zugleich kraftvoll, seidig und filigran. Große Lagerfähigkeit lässt sich dem noch sehr jugendlich wirkenden Wein mit ziemlicher Sicherheit bescheinigen; noch so eine unerlässliche Voraussetzung für einen Kultwein.
Und wie steht es um die Erhältlichkeit? Im Direktbezug gibt es ihn nur als „Los“; jedes Los besteht aus 24 Einzelflaschen, 6 Magnum (1,5 Liter) und 1 Doppelmagnum (3 Liter) pro Jahrgang. Das mag für Händler und Gastronomen zu stemmen sein, ist für normale Weintrinker doch happig, auch in preislicher Hinsicht. (Anfrage unter ).
Es steht zu erwarten, dass einige Los-Käufer ihre Flaschen weiterverkaufen. Wenn der „REIMITZ“ dann teurer angeboten wird als direkt vom Erzeuger, ist er auf dem besten Weg - zum Kultwein zu werden.
16. Februar 2014
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